Einstieg leicht gemacht – Teil 1: Die Kosten

Wir sind ja nun keine blutigen Anfänger mehr, vielmehr halbgare Profis, oder zumindest haben wir den Einstieg in das Thema „historische Darstellung“ geschafft. Trotzdem, oder gerade deswegen möchten wir einmal unsere Erfahrungen mit den Anfängen beschreiben, denn der Einstieg ist leichter als man denkt. *

Oft wird den historischen Darstellern (manchmal auch abfällig als „A-Päpste“ oder „Spaßverderber“ bezeichnet) vorgeworfen, Neulingen den Einstieg schwer zu machen. Dem müssen wir absolut widersprechen, denn wir haben Hilfe und Unterstützung von vielen lieben Menschen erhalten und müssen zugeben, dass wir von der intensiven Recherche, die andere bereits vor uns betrieben haben absolut profitieren konnten. Wir möchten euch in dieser Reihe aber beweisen, welche Missverständnisse Einsteigern häufig im Weg stehen und mit ihnen ein für alle Mal aufräumen.

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Teil 1: Eine historische Darstellung ist viel zu teuer

Bevor wir zu den Grundlagen und unserer Herangehensweise kommen, möchten wir mit einem der größten Missverständnisse aufräumen, die in der Szene herrschen. Nämlich der, dass eine historische Darstellung unbezahlbar sei.

Dem ist aber gar nicht so, doch es hat seine Gründe, warum sich dieses Gerücht so hartnäckig hält. Denn: Nicht jede historische Darstellung ist mit einfachen, günstigen Mitteln machbar.

Die Wunschdarstellung der meisten Einsteiger ist Adel/Ritter. Und das ist völlig verständlich, so ging es uns auch. Die Gründe dafür sind denkbar einfach: 1. wird einem dieses vermeintliche Ideal auf den meisten „Ritterspektakeln“ vorgelebt, 2. waren die Adeligen im Mittelalter ungefähr das, was die Kardashians für das 21. Jahrhundert sind, auffällig, trendig, en vogue. (Verständlich für den Adel, irgendwie unverständlich für die Kardashians.)

Doch ist die Garderobe von Kim ist für die meisten 16-jährigen Mädchen von heute genauso unbezahlbar, wie damals eine Ritterrüstung für das Fußvolk. Und leider hat sich das auch in 800 Jahren nicht geändert.

Eine Adelsdarstellung ist teuer, ja. Man braucht Seide, Damast, feinste Wolle, Goldlahn, feines Leder, Edelsteine und so weiter. Und all diese Materialien sind auch im 21. Jahrhundert teuer und teilweise schwer zu besorgen.

Doch geht man einmal einen Schritt zurück und steigt als einfacher Bürger/Bauer/oder Ähnliches ein, dann kann man die Kosten auf ein Minimum reduzieren. Das mag zuerst abschreckend klingen, verbindet man mit einer einfachen Darstellung irrtümlicherweise oft langweilige, farblose Kleidung, fehlenden Prunk und furchtbare Tristesse im Erscheinungsbild.
Doch das Beste am simplen Einstieg: Hat man einmal einen Grundstock, kann man ihn mit sehr leichten Mitteln immer weiter aufrüsten und wenn man den Willen und das nötige Kleingeld hat, sich bis zum Adeligen „hocharbeiten“. Doch fangen wir mit den grundlegenden Dingen an.

Wir haben eine kleine Auflistung für euch erstellt, die zeigt, mit wie wenig Geld man in eine einfache, zivile Darstellung einsteigen kann.

Darstellung einfacherer Arbeiter/armer Bauer/Knecht usw.

Notwendige Grundausrüstung:

Bruche, Leibhemd, Kittel, Beinlinge, Schuhe, Bundhaube, Gürtel (optional: Hut z.B. Strohhut, Mantel, Gugel)

Für das Leibhemd und die Bruche benötigt ihr weißes, bzw. ungebleichtes Leinen. Dieses erhält man im Stoffladen oder im Internet (z.B. Ebay) ab 7-8 Euro der Meter. Für ein Leibhemd braucht man ca 2-2,50 Meter (bei normaler Größe und Statur) für die Bruche ca einen Meter. Macht 3,5 Meter und gerundet ca 26 Euro für die Unterkleidung. Ich wage zu behaupten, dass man das nicht mal bei einschlägigen „Mittelaltershops“ für diesen Preis bekommt.

Eine Rolle Leinengarn kostet ca 10 Euro, damit sind wir bei 36 Euro.

Für Beinlinge und Kittel benötigt ihr Wolle. Sehr empfehlen können wir für den Einstieg die Wolle von Naturtuche. Unbedingt zu beachten: Die Wolle sollte in Leinwand- oder Köperbindung hergestellt sein, der sogenannte Walkloden ist für das 13. Jahrhundert nicht belegbar. Da wir hier über eine einfache Darstellung sprechen, brauchen wir ungefärbte Wolle oder Wolle mit einer günstigen Färbung, zum Beispiel Waid (für den etwas besseren Kittel) oder Walnuss. Bleiben wir mal bei ungefärbt. Ein Meter naturbraune Wolle zum Beispiel kostet ca 25 Euro. Für den Kittel werden ca 3 Meter, für die Beinlinge nochmal 1 Meter benötigt. Damit sind wir bei 4 Metern und ungefähr 100 Euro. Garn  wird hier nicht zusätzlich benötigt, entweder wird das bereits eingerechnete Leinengarn oder Eigenfäden aus dem Stoff verwendet.

Für den Gürtel reicht ein einfacherer Lederriemen, den findet man im Internet für 15-20 Euro. Einfache Gürtelschnallen gibt es bei Lorifactor schon ab drei Euro. (Zugegeben, der Versand ist happig, wenn man sich aber mit mehreren Personen zusammentut, oder Lorifactor auf einer Veranstaltung in seiner Nähe trifft, kann man das umgehen). Ansonsten findet man auch günstige Gürtelschnallen bei Vehi Mercatus (hier unbedingt die Datierung nachprüfen!) oder Reenactors. Für einen Gürtel rechnen wir also mal mit 25 Euro. Das wird man auch mindestens in einem Mittelaltershop, der mit eher unhistorischen Sachen handelt, bezahlen.

Die Bundhaube macht man aus einem Reststück von Kittel oder Bruche, die kostet also nichts extra.

Nun kommen wir zum teuersten Punkt in der Auflistung, den Schuhen. Die Preise variieren hier stark. Günstige Einsteigermodelle gibt es ab 100 Euro. Man sollte unbedingt auf ein wendegenähtes Modell aus vegetabil gegerbtem Leder zurückgreifen. Es gilt: Qualität hat ihren Preis. Modelle für unter 100 Euro sind meistens leider nichts, und selbst die günstigen Einsteigermodelle sind nicht unbedingt empfehlenswert. Man findet allerdings auch Schuhmacher in der Szene, die einfache Schuhmodelle für unter 200 Euro anbieten. Diese sind eher aus hochqualitativen Materialien und sind definitiv mit der richtigen Nahttechnik und dem richtigen Garn verarbeitet. Man sollte sich hier also überlegen, ob man nicht etwas Geld in echte Handarbeit investiert.

Ansonsten kann man das ganze natürlich auch selber machen. Bausätze gibt es bei Meister Knieriem ab ca 150 Euro, alternativ kann man sich auch ein Anleitungsbuch (ca 20 Euro) und ein Lederreststück kaufen und alles komplett selber zuschneiden. Da wir aber darin keine Erfahrung haben, und auch glauben, dass man für ein gutes Paar Schuhe ein bisschen Erfahrung braucht, möchten wir davon eher abraten. Ansonsten wären wir beim Anleitungsbuch und Restlederstücken bei 50-60 Euro.

Fairerweise rechnen wir für die Schuhe mal das Mittelmaß, etwa 100 Euro.

Optional kann man sich einen Strohhut kaufen, die kosten bei den meisten Anbietern um die 20 Euro.

Weiterhin optional ist eine Gugel. Dazu wäre ein leichter bis mittelschwerer Wollköper nötig. Je nachdem wie zierlich oder geschickt man im Zuschnitt ist, bleibt noch genug Stoff von Kittel und Beinlingen übrig. Ansonsten braucht man ca einen halben Meter (wir sprechen hier von den 13. Jahrhundert Gugeln, die mehr eine Art Rundschal mit Kapuze sind und nicht diese mit dem ellenlangen Zipfel), dafür veranschlagen wir 15 Euro.

Auch optional wäre ein Mantel für kühlere Tage. Der mittelschwere Wollköper hierfür kostet ca 30 Euro der Meter. Für eine Cappa benötigt ihr etwa zwei Meter, also 60 Euro.

Damit sind wir summa sumarum bei 261 Euro für die absolute Grundausstattung, nimmt man die optionalen Teile dazu bei 356 Euro.

Ich habe mir mal den Spaß gemacht und in einem einschlägigen Shop vergleichbare Teile herausgesucht und bin zu folgenden Ergebnis gekommen:

Für „Tunika“, Beinlinge, Bruche, Unterhemd und Bundhaube: 254,30 Euro. Allerdings mit dem Unterschied, dass alles aus Baumwolle ist, nichts aus Wolle oder Leinen, welche nicht nur ein viel angenehmeres Tragegefühl sondern auch längere Haltbarkeit aufweisen.

Mit Mantel, Gugel, Hut: 396,00 Euro (Wow, die Mäntel sind dafür, dass beinahe alle aus Baumwolle gemacht sind ist ziemlich teuer! Einen Strohhut habe ich nicht gefunden und als Alternative einen Filzhut gewählt)

Ihr seht also: Ob man sich direkt eine Ausstattung aus belegbaren Materialien macht, oder erst mal nur unhistorische Sachen aus billigem Material kauft macht preislich keinen Unterschied.
Wenn man irgendwann jedoch den historischen Weg einschlägt, dann muss man auf eine nette Summe Lehrgeld zurückblicken. Und das schmerzt (Eigenerfahrung).

Die Aufstellung für die Frau schaut ähnlich aus, je nach Figur und Größe muss man mit etwas mehr Stoff für die Kleider rechnen, da diese ja länger als beim Mann sind und gegebenenfalls braucht man noch etwas zusätzlichen Stoff für die Kopfbedeckung. Dafür fallen Bruche und Gugel weg (diese sind reine Männerkleidungsstücke). Also würde man auch für eine Frau maximal 300 Euro benötigen.

Deswegen: Keine Angst vor dem Kosten, das ist – insbesondere wenn man nicht alles auf einmal kauft – absolut machbar für den Anfang. Plus: Man hat bessere, langlebigere und hochwertigere Materialien, die historisch Belegbar sind und man ist viel stolzer auf eine Ausrüstung, die man liebevoll selbst gefertigt hat und nicht nur in einem Shop zusammenkauft.

Falls ihr Fragen oder Unsicherheiten zu Materialien habt, fragt uns gerne, falls wir können, geben wir euch Rat. Und ansonsten können wir euch bestimmt an kundige Experten weiterleiten.

Weiter zu Teil 2.

– Laura

* Wir beziehen uns hier auf eine Darstellung im späten 13. Jahrhundert

Bildquelle: Aus den „Nürnberger Hausbüchern„, Amb. 317.2° Folio 66 recto, ca 1443